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Montag, 23. Mai 2016

Einmal an die Nordsee, bitte!

Als ich um fünf Uhr aufwache freue ich mich auf den Tag. Heute werde ich an die Nordsee reisen und ich bin gut gerüstet - sogar mit Plan. Ich hatte am Vorabend die Karte ausgiebig studiert und mir den Weg gut sichtbar markiert, dazu die Orstschaften und Ortschäftchen deutlich unterstrichen. Es wird durch Lehe gehen, Lunden, Krempel, Rehm-Flehde-Bargen, voraussichtlich durch Stelle-Wittenwurth, Tiebensee, Oesterwurth, Wesselburen, Süderdeich, Reinsbüttel ... Hurra, Büsum, wir kommen! Und ich habe sogar eine kleine Haftnotiz, auf der alle zu passierenden Orte notiert sind und die ich in die Kartentasche stecke.

Ich schäle mich aus dem Bett und gehe erst einmal in's Bad. Wer weiß, wann ich wieder eine eigene Dusche bekommen mit ohne Etagenbad. Danach packe ich meine Sachen zusammen und bringe alles in den Hof des Hotels, wo Travis (mein treuer Gefährte) sicher untergestellt ist. Ach ja, da war ja noch was mit dem Vorderrad. Ich unterziehe es einer ausgiebigen Inspektion, montiere es noch einmal ab und säubere die Schutzblechunterseite notdürftig mit dem Reifenheber. Hier hat sich jede Menge gestrige Matschepampe angesammelt und der Reifen schabt daran und nachdem ich das Rad ordnungsgemäß wieder eingesetzt habe, tune ich noch schnell die Kette. Nun sattele ich auf und los geht es. Juuuuch_huuuuuuuu! 

Der Weg aus Friedrichstadt heraus ist ganz einfach. Vom Hof runter, links, nächste rechts, am REWE-Markt vorbei, ... uns so drehe ich meine obligatorische Ehrenrunde, indem ich von Hof direkt einmal rechts rum fahre ... Oh lala, willst du eine Pizza, oh lala, Pizza wunderbar ... trallala ... und das Kopfsteinpflaster erst, das hatte ich gestern schon geliebt! Hmpfff ... Aber gut, ich drehe schnell und merze den Fehler wieder aus. Ich fahre gemütlich aus der Stadt und erreiche in ein paar Minuten die Eiderbrücke, die ich überqueren muss. Vor der Brücke ist eine Ampel, die aber offenbar nicht für die Radspur gilt. Trotzdem warte ich vorsichtshalber drei Ampelphasen ab, ehe ich mich auf die andere Seite wage. Man weiß ja nie. Nachher ist es eine Drehbrücke oder so ein Klappding, wo dereinst Starsky und Hutch mit dem legendären Gran Torino ... und es macht ja keinen Sinn, alles aus dem Weg zu räumen, wenn ein Lastkahn oder Riesendampfer kommt, nicht aber den Radweg. Aber alles gut, ich komme unbeschadet am anderen Ende an. 


Das Wetter ist herrlich, wohl noch ein bisschen kalt, aber ich mag das und das Ding mit der Brücke war nur, dass sie eben zu eng für zwei entgegenkommende PKW's ist. Ergo, Ampel muss her. 

Wie dem auch sei, ich komme durch Sankt Annen, plangemäß durch Lehe, Lunden, Krempel ... das klappt ja perfekto. Dumm ist jetzt allerdings, dass ein Wegweiser nach rechts weist, meine Karte aber vorgibt, dass ich geradeaus weiter fahren muss. Hmmm ... und nun? Ok, TomTom darf es richten, alternativ mein Handy-Navi. Nun, langer Rede, kurzer Sinn, TomTom lässt sich bitten und findet kein Signal und das Handy hat Funkloch. Na super. In der Ferne sehe ich Rettung nahen und so halte ich das 'Navi in Pink' an, als es auf meine Höhe kommt und frage, wo ich genau bin. Noch habe ich nämlich nicht begriffen, wie schnell man auf einer Karte im Maßstab 1:60.000 voran kommt. Die Dame ist überaus freundlich und gesprächsbereit, wie eigentlich alle Leute, die ich unterwegs getroffen und nach dem Weg o. ä. gefragt habe und noch fragen werde. Also bis auf die eine, aber das kann ich noch nicht wissen. 

Ich befinde mich in Rehm-Flehde-Bargen und muss nach Wittenwurth und dort die Bahngleise überqueren. Dann muss ich auf die andere Straßenseite und in's Feld, um nach Tiebensee zu gelangen. Unterwegs, also ich habe den Bahnübergang noch lange nicht erreicht, sehe ich leider etwas zu spät eine fette Glasscherbe auf dem Radweg liegen. Mein Vorderrad meistert die Situation mit Bravour, aber mein Hinterrad fährt so dicht auf, dass es nicht mehr ausweichen kann und über die Scherbe fährt. Aber Glück gehabt. Die Scherbe liegt mit der Bruchstelle nach unten und springt in hohem Bogen zur Seite, als sie überrollt wird. Trotzdem halte ich an und überprüfe den Reifen. Eine Panne hätte mir gerade noch gefehlt, aber alles gut gegangen. 

Als ich den Bahnübergang gequert habe, frage ich einen älteren Herrn vorsichtshalber nach dem Weg, denn ab jetzt geht es im Feld weiter. Er beschreibt mir die Route derartig klar und präzise, sodass ich sie mir sogar merken kann. Ich bedanke mich nach einem kurzen Gespräch und fahre weiter. Tatsächlich brauche ich nur den Anweisungen zu folgen und so stehe ich kurz darauf auf einer ... tja, was ist das hier. Es sieht aus, wie ein doppeltbreiter Promilleweg, aber das Verkehrsaufkommen ist größer, als auf der Landstraße, von der ich gerade gekommen bin. In der Ferne rumpelt die Nordostseebahn vorbei, mit der ich, hätte ich gestern den Zug genommen, von Husum nach Friedrichstadt gefahren wäre. Ich rufe Svenja an, um meinen Standort nebst Lagebericht durchzugeben und sie fragt, ob ich auf einer Autobahn stehe. Tue ich aber nicht. Wohl könnte man es meinen. Außerdem schicke ich regelmäßig Fotos über Whattsapp und sie ist ehrlich ergriffen, wie schön ihre Heimat ist. 


Nächster Halt: Tiebensee. Es geht gemütlich durch Wiesen und Felder, an Kühen vorbei ... bis ich etwas ratlos in Oesterwurth stehe. Von meinem Kartenverstand (hahaha) her müsste es eigentlich gerade aus gehen, aber es gibt dummerweise drei weitere Möglichkeiten und auf meine berüchtigten Fähigkeiten als Pfadfinderin möchte ich mich vielleicht lieber nicht verlassen. Na, und wie das in diesem dichtbesiedelten Land eben so ist, kommt just ein Radfahrer vorbei, der seinen Hund Gassi radelt. Er findet, dass ich mich nach rechts wenden sollte, was ich dann auch mache ... also nachdem ihm endlich der Gesprächsstoff ausgegangn ist. Puuuh, was Quasselstrippen und wer meint, ich wäre redselig, der war noch nie in Schleswig Holstein - ein Land, in dem noch nicht mal ich zu Wort komme. 

Rechts ist nicht so schlecht, denn ich komme an einen Wegweiser, der mich dahin führen soll, wohin ich will. Dumm nur, dass mir das jetzt nicht mehr einfallen will. Ich meine, Süderdeich ist die nächste Station. Allerdings komme ich nie dort an ... auf jeden Fall nicht heute ... denn ich bin plötzlich in Reinsbüttel und falls ich jetzt doch noch nach Süderdeich komme, dann bin ich irgendwie falsch rum gefahren. 

Nachdem ich Reinsbüttel hinter mir gelassen habe, komme ich recht unspektakulär an die Bundesstraße 202, der ich nun bis Büsum folge ...


Nun, und wie es weiter geht und was ich in Büsum so erlebe, dass ist eine andere Geschichte für einen anderen Tag.

13 Kommentare:

  1. Meine Güte, sogar ich bin jetzt ganz durcheinander von der Route. Sind wir hier noch richtig? Doch, Büsum ist gut, einerlei, wie du letztlich dort hingekommen bist.
    Ja, du hast schöne Fotos aus meiner Heimat mitgebracht und den Leuten sogar die Zunge gelöst. Das ist erstaunlich. (Das Zweite)

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    1. Gell, Hauptsache gut ankommen und das bin ich. Die Gegend ist so schön und ich habe so viele Bilder, aber leider muss man sich ja entscheiden, welche man am besten nimmt. Vielleicht mache ich ja zum Schluss ein "Impressionen-Postig" :-)

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  2. Mannmannmann... - das ist ja spannender als der schärfste Krimi!
    Solche kleinen Straßen, die aussehen wie bessere Fahrradwege, sind in Schleswig Holstein normal. Vor allem in der Holsteinischen Schweiz (ja!) gibt es einige sehr schöne davon.

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    1. Und dabei plätscherte das alles so gemütlich dahin :-)

      Holsteinische Schweiz? Da muss ich direkt mal gucken, wo das ist und ob es nicht auch ein Ziel sein kann ... Meine Güte, ich könnte schon wieder los fahren :-)

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  3. Sehr schön. Und es führen wohl mehrere Wege nach Büsum. Gute Weiterfahrt noch.

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    1. Ja komisch, näää, immer führen irgendwie andere Wege an's gleiche Ziel. Aber egal, Hauptsache, man findet einen ... *grins* ...

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    2. Genau. Bei meiner Pieterpad-Wanderung hatte ich mich schon bei der ersten Etappe von der Idee verabschiedet, die Route genauso zu laufen, wie sie im Führer steht. So lange ich ungfefähr da rauskomme, wo ich hinwill, ist es mir eigentlich egal, wie, und dass ich dann mal nicht über eine Römerstraße latsche, kann ich verschmerzen. Schön ist es ja fast überall.

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  4. Also, ich stelle immer wieder fest, dass ich an deine NOK-Reise zu naiv rangegangen bin. Ich habe mir den Radweg immer direkt neben dem Wasser vorgestellt, so wie an den schönen Kanälen im Pott. Ganz nah bei, den Geruch vom Kanal immer inner Nase.

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    1. Das hier war nicht der NOK, aber frag mich mal was das für ein Radweg war. Bald geht es auf jeden Fall auf dem Nordseeküstenradweg weiter und ich bin gespannt, wie sich der so entwickelt :-)

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  5. Ja, das Wetter hat ja wunderbar mitgespielt. Jetzt wäre aber mehr Meer ganz schön... sagtest Du nicht, es wäre hügelig? Für mich sieht es da aber mächtig flach aus ;-)

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    1. Das Wetter war - bis auf den zweiten Tag - allererste Sahne. Ich hatte ja wochenlang die Wetterprognose verfolgt und es sah immer eher dürftig aus, aber was mir dann präsentiert wurde, war einfach Premium.

      Ja, hügelig. Aber da konnte ich ja nicht anhalten um Fotos zu machen, da musste ich den Schwung ausnutzen :-D

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  6. Wenn wir radeln, grüßt uns so ziemlich jeder andere Radfahrer. Das ist fast wie beim Motorradfahren, nur langsamer.
    Ich bin ja der Überzeugung, dass die Leute nur aus Mitleid grüßen. Aber der Zettfahrer besteht energisch auf seiner Null-Gang-Klapperscheese aus DDR Beständen. Total leichtlaufend, und sehr gut gefedert, schwärmt er ständig vor sich hin. Dabei überholte er mich andauernd und lachte sich einen Ast, wenn ich ihn angrummelte.
    Kerle!

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    1. Beim Radeln grüßt so gut wie jeder und beim Motorradfahren ja eher nicht jeder, sondern höchstens ein paar.

      Ein Rad muss zu seinem Besitzer passen. Da ist es egal, ob es ein altes Klapperrad oder das teurerste und modernste Fahrrad ist. Der Fahrradhändler hat mir ein 2000 Euro teures Bike gezeigt - ohne E - und das war so gar nicht meins. Aber ist doch gut, wenn er sein Fahrrad so klasse findet, habt ihr wieder was gespart :-D

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